1. Preis Wogeno-Wettbewerb Riedenhaldenstrasse

Projektwettbewerb Riedenhaldenstrasse, Zürich

Selektiver einstufiger Wettbewerb 1. Rang, 2024

Zum Maximum verpflichtet

Auch wenn die Wogeno nicht Teil des gewinnorientierten Immobilienmarkts ist, lautet ihr Auftrag dennoch, die maximale Ausnutzung ihrer Liegenschaften anzustreben. Neben der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum entspricht dies auch dem Gebot, den Wohnbestand der Stadt Zürich nach innen zu verdichten. Beides soll mit dem Projekt in Zürich-Affoltern erreicht werden.

Das konische Grundstück in der Rücklage der Riedenhaldenstrasse wird mit einer Ausnutzungsreserve von 50% ausgewiesen. Paragraph 255, Absatz 3 PBG ermöglicht aber sogar einen Flächenzuwachs von über 100%: Überschreitet die zulässige anrechenbare Geschossfläche pro Vollgeschoss jene des anrechenbaren Dachgeschosses, kann die Wohnfläche im Dach vollumfänglich auf die erlaubte Ausnutzung aufgeschlagen werden. Das vorgeschlagene Projekt schöpft daher die Ausnutzungsreserve in den drei Vollgeschossen vollumfänglich aus, um so ein Maximum an zusätzlicher Wohnfläche im Dachgeschoss zuzugewinnen.

Die Wohnräume des Bestandes werden hierfür über die Altbaufassade hinaus zu grosszügigen Wohn-Ess-Bereichen verlängert, geöffnet und mit einem privaten Aussenraum versehen. Zwischen den verlängerten Wohnräumen lagern sich in südwestlicher Orientierung zusätzliche Zimmer an, was den Mix an Wohnungsgrösse der neu elf Wohnungen breiter und variabler gestaltet.

Die Mitte freigespielt

Die flächige Ausweitung der Regelgeschosse führt zu einem tiefen Grundriss. Um die Besetzung des Kerns durch Verkehrs- oder Nebennutzflächen zu vermeiden und sie stattdessen für eine gemeinschaftlich genutzten Mitte freizuspielen, wird das bestehende Treppenhaus durch eine zweite, offene Treppenanlage an der Südfassade ergänzt. Ohne Umwege fluchten alle Wohnungen unmittelbar in diese Treppenhäuser. Der zentrale Raum bleibt dadurch frei von brandschutztechnischen Auflagen und kann ohne Einschränkungen genutzt und frei möbliert werden.

Auch ökonomisch erweist sich das zweite Treppenhaus als durchaus sinnvoll, vermeidet es doch jegliche horizontalen Erschliessungs- und Fluchtwege in den tiefen Grundrissen. Dem überschaubaren Mehraufwand an Verkehrsfläche von zwei zusätzlichen Geschossüberwindungen je 8m2 steht über sämtliche Geschosse der Mehrwert von 112m2 gemeinschaftlicher Hauptnutzfläche gegenüber. Auch die Treppenläufe und -podeste werden zu Begegnungsorten, die das gemeinschaftliche Zentrum beidseitig erweitern, durch gläserne Türen mit Tageslicht und Frischluft versorgen und den angrenzenden Zimmern autarke Zugänge gewähren. Das mögliche Wechseln zwischen beiden Treppenhäusern, besonders in der erdgeschossigen Lobby, verbindet die Bewohnerschaft nicht nur auf dem jeweiligen Geschoss sondern auch über sämtliche Ebenen als vertikale Hausgemeinschaft.

Zürcher Sulèr • Zulèr

Die freigespielte Mitte gleicht einem «Sulèr». Dieser vielschichte Durchfahrts- und Zugangsraum des Engadiner Bauernhauses, ist der Küche und Stube unmittelbar vorgeschaltet. Er wirkt als Erweiterung des Wohn- und Arbeitsraums, in den sich die inneren Nutzungen hinein erweitern. Diese Räume sind weitaus mehr als reine Erschliessung, und so sollen sie als Zürcher Sulèrs auch im vorgeschlagenen Projekt fungieren. Freigespielt von Brandschutzvorgaben, können Zulèrs den Wohnungen als Entreé und Garderobe mit Stauraum und offenen Regalen dienen. Diese Funktionen wandern aus den privaten Wohnungen in den geteilten Raum in der Mitte, was die Wohnungsgrundrisse entlastet und dort mehr Grosszügigkeit erlaubt. Doch neben Ankommen und Ablegen kann in den zentralen Flächen der Zulèrs auch manch anderes geschehen, was die angrenzenden Bewohnenden oder die gesamte Hausgemeinschaft miteinander aushandeln: Kino, Diele, Töggelitisch, gemeinsamer Essraum, Co-Working, oder auch Wohn- und Spielraum einer Mehrgenerationen-WG über mehrere Einheiten. Die Polyvalenz der geteilten Fläche und die Zusammenschaltbarkeit der einzelnen Wohnungen ermöglichen flexible Lebensmodelle. Die räumliche Konfiguration der Zulérs kann zu derartigen Innovation des Zusammenlebens durchaus animieren.

 

Das Alte im Neuen

Das Alte im Neuen

Die tragende Struktur des Altbaus wird erhalten, der Grundriss ansonsten freigeräumt und mittels Leichtbauwänden neu konfiguriert. Der betonierte Liftschacht steift das Bauwerk aus und gewährt die Erdbebensicherheit. Um die minimalen Schallschutzanforderungen einzuhalten und die zusätzliche Belastung der Betondecke gering zu reduzieren, wurde ein sehr schlanker Bodenaufbau mit Trockenestrich gewählt. Dies ist möglich, da die Radiatoren des Bestandes weiterhin genutzt werden können.

Die neuen Anbauten werden als Holzbau errichtet, dessen konstruktiver Deckenaufbau durch optimierte Spannweiten und das geringe Gewicht des Trockenestrichs auf unter 23 cm reduziert ist und so die nötigen Raumhöhen einhalten kann.

Alle gefordeten Nebennutzungen finden im Bestand Platz, sodass der Anbau nicht unterkellert werden muss.

Sämtliche Fassaden werden mit neuen, französischen Fenstern versehen, die Aussenwände mit dem nachwachsenden Pflanzenbaustoff Hanfflachs gedämmt und mit einer hinterlüfteten Konstruktion aus wiedergenutztem Holz verkleidet. Das bindet Alt und Neu zu einer lesbaren Einheit zusammen. Dem Ausdruck des Baus sieht man seine zwei bestehende Konstruktion samt gespeicherter grauer Energie nicht an. Im einheitlichen Kleid ist der Wohnbau rundum für einen nächsten Lebenszyklus ertüchtigt und erweitert und steht auch neuen Lebensmodellen offen.

AuftraggeberIn

Wogeno

 

Auftragsart

Selektiver einstufiger Wettbewerb 1. Rang

 

Statik

Seforb Sàrl

 

Bauphysik 

Weber Energie + Bauphysik AG