Hafenpromenade Enge, Zürich

  • Offener einstufiger Wettbewerb, 2021

© Nightnurse Images

Im derzeitigen Zustand stellt die Hafenanlage Enge einen störenden Bruch in einer Abfolge qualitativer Räume entlang des Zürcher Seeufers dar. Als Parkplatz genutzt, blockiert es den offenen Zugang zum See – und das an einem Ort, der mit dem «Aquaretum», dem «Züri Leu» und den repräsentativen Bauten des Mythenquai ein hohes urbanes Potenzial aufweist. Um dieses Potential zu entfalten, empfiehlt das vorliegende Projekt einen befestigten und nutzungsoffenen Stadtraum: Aus den bestehenden Fusswegen der Uferpromenade erwächst eine offene Platzfläche, die sich als integraler Bestandteil in die Raumabfolge des Seeufers einbettet.

Entgegen den umgebenden Grünflächen bieten dieser Platz jedoch die Möglichkeit einer ganzjährigen und witterungsunabhängigen Benutzung. Kiosk und Züri-WC unterstützen einen niederschwelligen Zugang und erlauben gleichzeitig ein Nutzungsspektrum von Aufenthalt, Aneignung bis hin zum Gross-Event. Dieser polyvalente Stadtplatz schliesst daher nicht nur die stadträumliche Lücke in Zürichs Ufergürtel, sondern auch jene im Angebot des städtischen Lebens entlang des linksseitigen Seeufers.

Hafendach

Im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Installation und nutzbarer Architektur, wird das «Hafendach» zum identitätsstiftenden Attraktor.
Dank diesem wird der Platz zur unverwechselbaren Adresse im Zürcher Stadtbild. Von zwölf elegant taillierten Pylonen hängen elf gefaltete Stahlbleche und addieren sich 3 Meter über dem Platzniveau zu einer Skulptur von 100 Metern Gesamtlänge. Angesichts dieser Dimension wirken die hell gefärbten, 20 Millimeter starken Stahlbleche geradezu papieren. Diese Materialität – kombiniert mit der Horizontalität des «Hafendachs» – verweist bewusst auf die nautische Anmutung des Schiffbaus und stärkt so die Atmosphäre des bestehenden Segelhafens.

Die kippbaren Tribünen sind als reine Stahlkonstruktionen konzipiert. Die Dachsegmente sind durch abgekantete und zickzackförmig verschweisste Bleche gebildet. Durch die so entstehende Faltwerkwirkung kann die 8.5 Meter Spannweite ohne zusätzliche Massnahmen bewältigt werden. Stirnseitig bilden angeschweisste Blechwangen den Abschluss. Diese liegen mittig auf einer kugelgelagerten Stahlwelle auf. Ohne asymmetrisch veränderliche Belastungen befindet sich die Konstruktion somit in einem statischen Gleichgewicht.

Der nötige Lastausgleich und die Stabilisierung wird durch jeweils zwei schräge Seile erreicht, die am Kopf der Pylone umgelenkt und nach unten zu einem Elektromotor geführt werden. Mittels der ersten drei Stufen wird die Tribüne (gekippter Zustand) im Boden verankert und allfällige Schwingungen so eliminiert. Die Pylone werden auf Einzelfundamenten verankert, die mit Injektionsbohrpfählen im Untergrund eingespannt werden.

Aktive Architektur

Aktive Architektur

Die Segmente des Daches sind beweglich an den Pylonen befestigt. Jederzeit können sie aktiviert werden. Die Neigung der Segmente zur See- oder Strassenseite generiert Sitztribünen oder Bühnenrückwände. Die Skulptur gibt ihren Nutzen preis. Die geknickte Untersicht der Stahlbleche wandelt sich zu ergonomischen Sitzstufen. Die Aufkantung der Ränder gewährleistet die statische Höhe, dient aber ebenso als Absturzsicherung der Tribünen.

Aus dem Objekt wird Architektur, und diese vervielfältigt die Möglichkeiten des Platzes: Ohne Aufwand für Transport und Aufbau kann kurzfristig eine leistungsfähige Infrastruktur für Veranstaltungen bereitgestellt werden. Ob für die Streetparade auf dem Mythenquai oder für das Seekino in der Hafenmole, die Neigung der Dachsegmente bietet die benötigten Sitzflächen und dient gleichzeitig als Überdachung für den jeweils rückwärtig zugänglichen Kiosk samt Sanitäranlagen. Deren schmalen, metallverkleidete Holzkonstruktionen sind als minimierte Infrastrukturbauten angelegt und können dank ihrer geringen Breite selbst bei geneigten Dachsegmenten von beiden Seiten aus benutzt werden. Jedes Segment des «Hafendachs» kann individuell gesteuert werden, ohne die Funktionalität der gesamten Anlage zu beeinträchtigen. Dem Platz gewährt dies eine maximale Freiheit für seine Bespielung.

Biodiversität an der Hafenmauer

Ausser den Fundamenten der Pylone erfordert die Aufwertung der Hafenanlage keinerlei Erdbewegungen. Obwohl der neue Platz zwei Drittel des Perimeters versiegelt, wird auch dieses Oberflächenwasser dem natürlichen Kreislauf zurückgeführt. Entlang dem Uferverlauf sieht die Platzgestaltung eine Auffangrinne vor, welche das Regenwasser gefiltert in den See abgibt. Die punktuelle Bewässerung der Ufermauer bietet Moosen und Farnen einen optimalen Nährgrund. Die Erneuerung der Platzanlage bietet weitere Synergien, um die Ufermauer zum biodiversen Lebensraum aufzuwerten: Durch implementierte Einbauten können wertvolle Lebensräume geschaffen werden. Unter- wie Oberhalb der Wasseroberfläche bieten künstliche «Nischen» seeseitig zugängliche Hohlräume, die von Flora und Fauna besetzt werden können. Brütende Eisvögel und Wasserfledermäuse finden hier ebenso Unterschlupf wie Seefische oder gar Bisamratten.

Diese Umgestaltung der Hafenbefestigung zum stadtnahen Ökosystem bietet ein Experimentierfeld, welches auch auf andere Seebefestigungen übertragen werden könnte. Gesamthaft zielt die Aufwertung des ehemaligen Hafen Enge auf eine symbiotische Entwicklung neuer Lebensräume, in der Menschen, Tiere und Pflanzen in unmittelbarer Nähe koexistieren können.

AuftraggeberIn

Stadt Zürich

 

Auftragsart

offener Wettbewerb, Neugestaltung Hafenpromenade mit Kiosk und Seewasserzentrale

 

Gesamtbaukosten

CHF 15 Mio

 

Statik

Schnetzer Puskas Ingenieure AG