Altersgerechtes Wohnen direkt neben einer neu erbauten Schule spannt das Maximum an demografischer Vielfalt und damit auch sozialer Begegnungen auf. Neben individuellem Wohnraum für ein möglichst selbstbestimmtes später auch bedürfnisgerechtes, betreutes Wohnen, gilt es für die sozialen und funktionalen Synergien auch menschlich dimensionierte und wohlgestaltete Aufenthaltsräume bereitzustellen, welche die verschiedenen Bedürfnisse der Bewohnenden abdecken, die einzelnen Nutzungen jedoch nicht isolieren, sondern untereinander und mit dem umgebenden Quartier verweben.
Soziale Synergien entstehen durch Begegnung. Um diese zu ermöglichen, werden die Freiflächen der Wohnungen der SAW (Stiftung Alterswohnungen) mit denen des GFA (Gesundheitszentrum für das Alter) zusammengedacht. Statt eines isolierten Demenzgartens auf einer oberen Etage, soll ein ebenerdiger Garten gemeinsam genutzt werden. Eine gesicherte Betreuung der Demenzerkrankten im Freiraum schliesst den sozialen Kontakt mit Nachbarn aus dem Haus und dem Quartier nicht aus – im Gegenteil. Das Gefühl «dabei zu sein» statt aus der Distanz zu beobachten, also ein wahrgenommener Teil des Quartiers, seiner Erwachsenen und auch Kinder zu sein, wird für die Bewohnenden des Hauses in ihren diversen Alters- und Gesundheitszuständen zur Wohn- und Lebensqualität.
Um diesem Begegnungsraum ein Maximum an Fläche zu sichern, organisiert sich das vorgeschlagene Hochhaus ohne Sockel. Als markante Figur ragt der hohe Turm als weit sichtbarer und wiedererkennbarer Orientierungspunkt aus der Parzelle. Die gewonnenen Flächen um ihn herum werden dem Garten im Westen zugeschlagen. Dieser bietet den Bewohnenden einen sicheren, strassenabgewandten Aussenraum, der sich mit den angrenzenden Grünräumen der Schul- und Sportanlage sowie dem zukünftig entstehenden Park im Teilgebiet B verweben kann. Als integraler Bestandteil des entstehenden Quartiers bietet der Garten des Hochhauses die Möglichkeit kontrollierter Begegnung zwischen Jung und Alt.
Über alle vier Seiten des Turms drehen sich zehn grosszügige Erker aus. In diesen hellen Räumen mit dreiseitigem Aussenbezug ordnen sich in den Wohnungen der SAW die Loggien, Küchen und Essbereiche ein. Die Ausdrehung der Fassade führt Tageslicht trichterähnlich in die Tiefe der Wohneinheit. So profitiert der zentrale Wohnbereich von der Besonnung und der Aussicht in die Nachbarschaft. Altengrecht möblierbare Zimmerschichten entlang der Fassadenabwicklung ergänzen die Wohn-/Essbereiche und fügen die Einheiten zum geforderten Wohnungsmix aus 1.5 bis 2.5 Zimmer-Wohnungen.
Als Zehnspänner organisiert, ordnen sich die Wohneinheiten des SAW-Regelgeschosses entlang eines breiten Umlaufs um den zentralen Versorgungs- und Erschliessungskern. An den Flanken der Nordwest- und Südostseite sind zwischen die Wohnungen gemeinschaftliche Wasch- und Aufenthaltsbereiche eingefügt. Als zweigeschossige Räume mit viel Tageslicht verbinden diese die Geschosse untereinander und verweben sie dank ihrer alternierenden Anordnung zu vertikalen Nachbarschaften. Diese initiieren Begegnungen und wirken so der potenziellen Anonymität des Hochhauswohnens erfolgreich entgegen.
In den Wohngeschossen der GFA reihen sich 16 Einerzimmer pro Ebene mantelartig um den zentralen Kern. Dieser weitet sich hier um die autarke Erschliessung des Pflegebereichs sowie dessen dienende Nebenräume samt Sanitäranlagen. Der Umlauf des Kerns bietet den hier Bewohnenden einen endlosen Bewegungsablauf. An den Südostfassaden verläuft der Weg durch den Aufenthaltsbereich mit grosszügigem Balkon und vis-a-vis an der Nordwestseite das Stationszimmer nebst einem intimeren «Stübli» zum Rückzug in kleineren Gruppen. Je zwei Einerzimmer neigen ihre Fassadenabwicklung in die Erkergeometrie der oberen SAW-Geschosse. Die so entstehenden Nischen bieten in den Zimmern mehrseitige Aussicht und führen auch hier das Tageslicht bis tief ins Innere. Niedrige Brüstungshöhen erlauben den Ausblick auch in sitzender oder liegender Position und bieten Wohnkomfort, unabhängig von der gesundheitlichen Verfassung der Bewohnenden.
Der Turm öffnet sich mit einem befestigten Platz zur Thurgauerstrasse und bietet dort Zugänge zu einem Restaurant, Kleingewerbe sowie den Wohnungen. Ein zentrales Foyer verbindet Restaurant, Gewerbe und das Gesundheitszentrum, dient zudem als Eingangsbereich für einen vielseitig nutzbaren Mehrzwecksaal. Eine geschwungene Treppe führt zu den Therapieeinrichtungen im ersten Obergeschoss, das direkt in den Garten übergeht und so öffentliche und private Wege klar trennt.
Die Freiraumgestaltung verbindet ökologische, soziale und gestalterische Aspekte zu einem naturnahen, vielseitig nutzbaren Park. Ein geschwungener Weg führt durch abwechslungsreiche Landschaftsbereiche mit Spiel- und Ruheinseln, die Begegnung und Bewegung fördern. Im Zentrum liegt ein Obsthain in einer Blumenwiese – als Symbol für die Verbindung von Natur und Stadt. Im Südwesten lädt ein lebendiger Platz mit Brunnen und Eiche zum Verweilen ein – besonders für Gäste des Restaurants. Die Freiflächen fördern durch offene Gestaltung das Miteinander. Im Nordwesten bietet ein Demenzgarten mit Rundweg, Sinnes- und Therapiebereichen sowie einem Musikpavillon Raum für Erholung und Aktivierung. Der Vorplatz an der Thurgauerstrasse vereint Funktionalität und Gestaltungsqualität. Hier entstehen Drop-off-Möglichkeiten, Kurzzeitparkplätze und eine Feuerwehrzufahrt. Eine begleitende Baumreihe aus Baumhaseln schafft einen grün gefilterten Eingangsbereich.
Die kontrastreiche Farbigkeit des Neubaus inszeniert bewusst seine Präsenz. Als Figur auf schmalem Fuss vermittelt der Turm zwischen den Gewerbesolitären an der Thurgauerstrasse und dem Wohnquartier. Als Landmark dient sie nicht nur der Bewohnerschaft als Orientierung, sondern markiert den Auftakt eines kommenden Stadtquartiers. Schwarze PV-Elemente kleiden den Turm in eine matt-dunkel schimmernde Hülle, die sich dem Sonneneinfall entsprechend in immer wechselnden Schattierungen zeigt. Die sonnenabgewandten Seiten werden mit Keramikplatten verkleidet, welches sich ähnlich den PV-Modulen verhält. Plastisch zeichnen die Erker, überhohen Räume und Loggien ein bewegtes Schattenbild in den Körper und formen den Turm zu einer Skulptur aus klaren Regeln und subtilen Brüchen. Dieser dunklen Skulptur ist ein feines Netz aus korallefarbenen Metallprofilen vorgesetzt, welches die Konturen der Geschosse und Erker nachzeichnet und dem Körper gemeinsam mit den hellblauen Fensterprofilen ein filigranes Netz aus zarten, farbigen Linien überstreift. Diese expressive Farbgebung des Turms orientiert sich nicht zuletzt an den Farbakzenten der bereits bestehenden Schulanlage Thurgauerstrasse und führt die so entstehende Identität des Quartiers über die Parzellen hinweg fort, ohne auf einen markanten, eigenständigen Ausdruck zu verzichten.
Der Skelettbau des Hochhauses mit einem zentralen Erschliessungskern ist aufgrund seiner hohen Nutzungsflexibilität besonders nachhaltig und damit zukunftsweisend. Die Freiheit im Grundriss ermöglicht einfache Nutzungsänderungen, was die Voraussetzung darstellt für eine möglichst lange Nutzung des Rohbaus.
Das Tragwerk ist durch das einheitliche Stützenraster über alle Geschosse und den zentralen Aussteifungskern besonders effizient und damit ressourcenschonend. Lastabfangungen werden durch eine direkte Lastabtragung bis in den Baugrund gänzlich vermieden. Der Mehrzwecksaal wird bewusst neben dem Gebäude angeordnet, um hierfür andernfalls erforderliche Lastabfangungen zu vermeiden. Torsionsbeanspruchungen werden durch die Übereinstimmung des Massenmittelpunktes mit dem Steifigkeitszentrum des zentralen Kerns minimiert. Darüber hinaus sind mit dem vorgeschlagenen Stützenlayout auch die Geschossdecken statisch besonders effizient. Mit den vorhandenen Deckenauskragungen bilden sich Stützstreifen mit ausgeglichenen negativen und positiven Biegemomentbeanspruchungen sowie besonders kleinen Durchbiegungen. Dies erlaubt eine besonders schlanke Ausbildung der Deckenquerschnitte. Die Deckeneigenlasten können dadurch auf das schalltechnisch erforderliche Mass von 18 cm reduziert werden, im Vergleich zu den beiden Decken ohne Auskragungen über dem EG und 1.OG. Die erzielte Eigengewichtsreduktion wirkt sich bei einem Hochhaus nicht nur auf die Gründungskosten, sondern auch auf die Montage- sowie Lastdurchleitungskosten positiv aus.
AuftraggeberIn
Stadt Zürich (Bauherrschaft)
Immobilien Stadt Zürich (Eigentümervertretung)
Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich SAW (Eigentümerin)
Amt für Hochbauten (Bauherrenvertretung)
Auftragsart
offener Wettbewerb, Hochhaus mit Gesundheitszentrum und Alterswohnungen
Gesamtbaukosten
CHF 113 Mio
Landschaftsarchitektur
mofa urban landscape studio GmbH
Statik Wettbewerb
Seforb Sàrl