Projektwettbewerb MFH Attikerstrasse, Wiesendangen

  • Selektiver einstufiger Wettbewerb 1. Rang, 2024

Zusammen in der Mitte

Zusammen in der Mitte

Selbstbestimmtes Wohnen innerhalb einer Hausgemeinschaft aber auch das gemeinschaftliche Zusammenleben mit und in dem umgebenden Quartier sind wichtige Leitmotive der Gesewo. Der Vorschlag für die Bebauung der Parzelle in Wiesendangen möchte diese Ansprüche einen funktional optimierten, aber darüber hinaus auch räumlich verwobenen und gemeinschaftsstiftenden Bau und Aussenraum bieten, der sich in die bestehende Umgebung einpasst und einen spürbaren Mehrwert auf allen Ebenen des Zusammenlebens bereithält: in der privaten Wohnung, der inneren Hausgemeinschaft aber auch im Aussenraum und der Begegnung mit der Nachbarschaft.

Mitte und Gelenk

Die entstehenden Aussenräume sind durch das Haus hindurch verbunden. An der Schnittstelle zwischen beiden Gebäudeteilen bietet die gemeinschaftliche Lobby direkten Durchgang, bildet dort aber auch das funktionale Gelenk und die lebendige Mitte des gesamten Wohnhauses. Zirkulation und Begegnung konzentrieren sich in dieser Mitte. Im Erdgeschoss erscheint die Lobby als grosse Halle, in der man die gesamte Höhe des Wohnbaus erleben kann. 81 Quadratmeter frei bespielbare Fläche mit grosser Küche bieten Raum für Veranstaltungen und informelle Treffen der Hausgemeinschaft, dienen aber auch als alltäglicher und gemeinschaftlicher Spielraum für die Kinder des Hauses. Direkt angeschlossen and die Halle bieten zwei flexible Räume Platz für vielschichtige Nutzungen vom Yoga-Raum bis zum Gästezimmer, erlauben aber auch eine potenzielle räumliche Erweiterung für die gesteigerte Variabilität der Lobby-Nutzung.

Im ersten Obergeschoss kreuzen sich die Wege der beiden Treppenhäuser in einem verglasten Galerieraum, der den Blick in die überhohen Bereiche der erdgeschossigen Lobby freigibt. Als Waschraum und/oder zusätzlichen – visuell verbundener aber akustisch getrennter – Spiel-, Arbeits- oder Aufenthaltsbereich bietet diese Galerie eine wertvolle räumliche und funktionale Ergänzung in der gemeinschaftlichen Mitte des Hauses. Im zweiten Odergeschoss, durch ein kreisrundes Oberlicht mit Lobby und Galerie verbunden, setzt sich ein Wintergarten zwischen die beiden Gebäudeteile. Dieser beansprucht ca. die Hälfte der zusätzlich verfügbaren Baumasse gemäss BZO Artikel 25 Abs. 4 und stellt so einen Gewinn an gemeinschaftlich nutzbarer und ganzjährig verfügbarer Fläche innerhalb des Neubaus dar.

Über drei Ebenen bietet diese Mitte des Wohnhauses gemeinschaftliche und selbstbestimmte Nutzungsmöglichkeiten. Das gemeinschaftliche Leben der Hausbewohnerschaft wird hier wiederkehrend neu verhandelt, während in den privaten Wohnungen der individuelle Lebensraum auf flexible und durchaus suffiziente Weise ermöglicht wird.

Potenzial Wintergarten

Über das Treppenhaus lässt sich das energetische Potential des Wintergartens nutzen. Der Wintergarten holt bei Bedarf Sonnenwärme ins Haus und verteilt diese über geöffnete Treppenhäuser, welche zudem die Wärme in Betonwänden speichern. Bei  bedecktem Himmel oder kalten Wetterbedingungen bleibt der Wintergarten geschlossen, wobei er als Zwischenklima (ungeheizt) eine klimatische Pufferzone bildet. Sein Raumklima wird über grosszügige Dachfenster aktiv gesteuert. Zudem dient er der Nachtauskühlung und mittels Kamineffekt unterstützt er die natürliche Belüftung der Erschliessungszone, sodass sich bei warmen Sommertagen ein angenehmer Luftzug in der Lobby etablieren lässt.

Effizientes Holzkonstrukt

Der oberirdische Baukörper wird in Holzbauweise realisiert und durch die betonierten Treppenanlagen ausgesteift. Mit Haupttragachsen im Abstand von rund 3 – 3.5 Meter können die Geschossdecken mit kurzen, für den Holzbau besonders wirtschaftliche Spannweiten ausgebildet werden. Der Neubau sieht gedübelte Holzbrettstapelelemente vor, welche über sichtbare Holzbalken auf Vollholzstützen abgestützt sind. Die vertikale Lastabtragung erfolgt optimal, in direkter Linie über alle Geschosse. Das vorgeschlagene Deckensystem ist nicht nur im Vergleich zu Massivbaudecken, sondern auch im Vergleich zu den meisten Holzdeckensystemen besonders leicht. Die Deckeneigenlasten können damit auf das schalltechnisch erforderliche Mass reduziert werden. Unter Berücksichtigung von Opferschichten kann für alle Holzbauteile ein ausreichendes Tragverhalten bei Brand nachgewiesen werden.

Die grösseren Spannweiten der gemeinschaftlichen Bereiche und der Gewerberäume einerseits und der Fahrgasse in der Tiefgarage andererseits können – weil übereinander – mit mehrfach wirksamen Massnahmen erreicht werden. Die stützen- und unterzugsfreien Gemeinschaftsbereiche werden mit CLT-Decken, die weiträumigeren Gewerberäume mit Abfangträgern resp. CLT-Wänden bewerkstelligt. Mit diesen Massnahmen fallen keine Lasten über der Fahrgasse der Tiefgarage mehr an.

Die Aussteifung gegen Wind und Erdbeben erfolgt über durchgehende Erschliessungskerne in Stahlbeton. Diese werden im steifen Untergeschoss eingespannt. Die erdberührten Untergeschosse selbst werden in Stahlbeton erstellt und können mit der leichten Bauweise flach fundiert werden.

Suffiziente Flexibilität

Von der gemeinschaftlichen Mitte ausgehend werden die Wohnbereiche in beiden Teilen des Neubaus über je ein flächenoptimiertes vierspänniges Treppenhaus erschlossen. Die Wohnungen selbst bieten persönlichen Raum zur freien Gestaltung individueller und sich wandelnder Bedürfnisse. Zwischen betoniertem Treppenhaus und der Gebäudehülle entfaltet sich eine hölzerne Grundstruktur aus Stützen, die in einem zimmerbreiten Raster angeordnet sind. Innerhalb dieses Systems lassen sich die Wohnungen in verschiedenen Konfigurationen organisieren und mit geringem baulichem Aufwand modifizieren. Eine partizipative Beteiligung der Hausgemeinschaft an der Grundrissentwicklung in der Planungsphase ist dadurch mühelos umsetzbar.

L-förmige Anordnungen bieten ein Verteilen der öffentlichen Wohnräume, hallenartige Wohntypen hingegen bündeln diese auf Wunsch an einem Ort. Das System kann mit den Bewohnenden wachsen und schrumpfen. Wohnungen können zusammengeschaltet werden. Innerhalb der Einheiten können innerhalb des Grundrasters zusätzliche Zimmer eingefügt werden. Neben einer hohen Flexibilität gewährt dies auch einen minimierten Flächenverbrauch. Als Pendant zu den Gemeinschaftsflächen der Mitte bilden die Wohneinheiten individuellen, aber auch suffizienten Wohnraum, der für die Bedürfnisse der Bewohnenden ein hohes Mass an Reaktionsfähigkeit und Gestaltungsfreiheit gewährt.

Mit der Natur leben

Mit der Natur leben

Der Aussenbereich sieht einen weitläufigen Freiraum vor, der sich über vier Landschaftsbereiche erstreckt und die Hausgemeinschaft nahtlos mit dem Naturraum verbindet. Auf den Prinzipien ökologischer und sozialer Resilienz möchte die Gestaltung eine Verbindung zwischen den Bewohnern und ihrer Umwelt herstellen. Statt ausschliesslich für Menschen, sollen vielfältige Räume für das gedeihliche und aktive Zusammenleben mit Bienen, Vögeln, Insekten und anderen wirbellosen Tieren entstehen. Symbolisch dafür wächst das Gebäude hinter der Fassadenbegrünung hoch und aus der Umgebung empor. Zu den Schlüsselelementen gehören ein gemeinschaftlicher Regenbrunnen, ein Gartenpavillon als zentraler Treffpunkt, ein Regenteich als spielerische Oase, ein natürlicher Spielplatz in einem Wäldchen und ein Nutzgarten samt Obsthain für gemeinschaftliches Anpflanzen.

Die Hauptflächen werden versickerungsoffen chaussiert. Abwechslungsreiche Wege werden durch mikrotopografische Akzente gestaltet, bei denen Klinker verwendet werden, um Sitzplätze, Parkplätze und Erholungszonen zu definieren.v Es entsteht eine einheitliche und doch vielfältige Raumtypologie, dass zu einem Gefühl der Einheit und Identität der Hausgemeinschaft beiträgt.

AuftraggeberIn

Gesewo

 

Auftragsart

Selektiver einstufiger Wettbewerb 1. Rang

 

Statik

Seforb Sàrl

 

Landschaftsarchitektur

Mofa urban landscape studio GmbH